Press (only german articles) • Ein Traumland, einfach so

Das Klangraumorchester Karl Ritter legt mit "Traumland" sein nächstes Werk in epischer Größe vor. Und wie viele sicherlich wissen hat es ein Epiker besonders gut. Er - der Epiker - muss sich im Gegensatz zum Dramatiker nicht einengen lassen von Raum und Zeit, kann also zeitdehnend agieren, aber auch zeitraffend oder zeitdeckend, er kann sich Rückblenden bedienen oder künftige Ereignisse vorwegnehmen. Auf "Traumland" findet sich vieles von all dem wieder. Im Titelstück zum Beispiel, in dem, um Nietzsche nachzusprechen, nichts mehr eigen ist als die Träume und nichts mehr als das Werk. Karl Ritter der Große absorbiert hier die ganze Kraft und Größe eines Traumlandes und transformiert es in die Realwelt. Einfach so. Zwölf mal. In einem Mandala aus der Rigveda [der älteste Teil der vier Veden aus dem Hinduismus; Anm.] heißt es an einer Stelle "Es gibt so viele Morgenröten, die noch nicht geleuchtet haben", mit Ritters "Morgenröte" kommt jene endlich wieder ordentlich zum Leuchten. Es ist keine Schamesröte wie jene von Phaetons Tante Eos - der Morgenröte aus der griechischen Mythologie [bei Eos färbte sich der Himmel am Morgen aus Scham rot; Anm.], sondern kostbare drei Minuten für einen kostbaren neuen Tag. Ja, und es gibt auch den "Almtraum" - einen Sommer auf der Alm, dort, wo "Ziegen ziehen" bis es wieder Zeit wird zum "Aufbruch", denn es ist schließlich bereits "November" und von "Trabitsch" [einem weiteren hervorragenden Gitarristen aus Österreich; Anm.] hat sich der Ritter auch schon verneigt. Da kann man sich dann entscheiden, fliegt man ins "Niemandsland", nach "Enoe" [eine Stadt im Walker County, Alabama; Anm.] oder von Planet zu Planet, wie im "Planetenflug"? Letzt genanntes ein Stück als zentrales Element eines Raumes, bei dem die Ordnung im Planetensystem mit einer akustischen Umgebung korreliert. Der Gitarrist, übrigens, ist ja kein Angeber und beschränkt sich nur auf das Wesentliche, berücksichtigt also auch den ruhenden Raum und bringt so bis dato ungehörtes zu Gehör. (Achtung, Wiederholung:) Einfach so. Der Ausgang aus dem Traumland führt über "Grüner Mond" - relative Verwandtschaftsverhältnisse zu Weills "Grüner Mond von Alabama" und zum Spätwerk von Miró sind nicht auszuschließen können allerdings - Dings aller - auch nicht bestätigt werden. Vereinfachte Miró in seinem "Grünen Mond" die Formen so stark, dass man eigentlich nur noch Striche erkennen kann, was einem wiederum sehr entfremdend vorkommt, vollzieht Ritter hier mit Eleganz die Schließung des Kreises kraft seiner Stimme. "Traumland" ist ein Traum von einem Land, das auf den Namen Musik hört. Aber ja (Vorsicht, mehrfache Wiederholung): Einfach so.

Manfred Horak (Jänner 2009)