Press (only german articles) • Globale Selbstgespräche

Der Gitarren-Freidenker Karl Ritter und Ex-Sideman von Ostbahn-Kurti hat kürzlich gleich drei neue, sehr hörenswerte CDs herausgebracht.
Karl Ritter demonstriert mit seinen Veröffentlichungen seine stilistische Vielseitigkeit abseits des Favorit’n-Blues.
Wien - Manchmal brennen Fragen derart auf der Zunge, dass man sie stellen muss, auch wenn man die Antwort schon zu kennen glaubt. Ob denn also der Bühnen-Rücktritt von Ostbahn-Kurti im Jahr 2003 die musikalische Neugeburt des Karl Ritter bedeutet hätte? "Natürlich nicht", sagt eben dieser Karl Ritter erwartungsgemäß. "Ich mache seit 30 Jahren meine Sachen. Ich habe auf der Gitarre von Anfang an herumexperimentiert, ich wollte für mich die Musik neu erfinden. Der Ostbahn ist mir quasi passiert", so der Stockerauer in seiner wohltuend ungeschminkten Art.
Ein Freigeist sei er ja schon immer gewesen, der Karl Ritter. Schon als Kind hätte er vor allem dann Geige geübt, wenn der Vater aus dem Haus war: "Weil die Mutter nichts von Musik verstanden hat. Da konnte ich dann einfach drauflos improvisieren." Später wurde in allen Richtungen geforscht, jeder Ton autodidaktisch erarbeitet, erspielt, erspürt: Von Frank Zappa über Edgar Varese und Ernst Krenek, dessen 3. Sinfonie er Note für Note von der Schallplatte transkribierte, bis hin zu Jazz, Rock, Punk. "Mir ist es immer darum gegangen, viel aufzusaugen und das in meine Musik einfließen zu lassen."
Wie Ritter Kurt Ostbahn "passierte"? "Ich habe in den 1980ern oft im Schmettersound-Studio aufnehmen können, als Gegenleistung für Arbeiten am Haus. Da liefen Resetarits und ich uns über den Weg. Wobei diese Blues-Sache damals für mich schon ein alter Hut war", so Ritter, der dennoch die Freiheiten in "Chefpartie" und "Kombo" schätzte, in denen er insgesamt 15 Jahre werkte: "Ich habe dort viel gelernt. Es war eine lustige Zeit. Jetzt ist halt wieder mehr Platz für mich und meine eigene Musik."
Dass der Ruf als "Ostbahn-Gitarrist" eine längere Nachhallzeit hat, dessen ist sich Ritter bewusst. Obwohl er bereits 2004 die Solo-CD "Atmen" veröffentlichte, die ihn als Erzähler spannender, trashig-bluesiger Geschichten zeigte, die einem Marc Ribot alle Ehre gemacht hätten, wurde noch ein Jahr später seine Nominierung für einen bekannten österreichischen Jazzpreis abgelehnt. Begründung: Bei Karl Ritter handle es sich um einen "Kreativ-Rocker". Ein Missverständnis, das nach Erscheinen der nicht minder formidablen Alben "Blau" und "Rot" (Windhund Records/Extraplatte) ausgeräumt sein dürfte.
Ersteres zeigt Ritter als kosmopolitischen Freidenker, der einmal indische Klänge imaginiert, dann seine splittrigen, verzerrten Sounds in die faszinierenden Antilopenhorn-Patterns des Tonga-Volks in Zimbabwe integriert. Um sich in "Drachenkampf" als geräuschvoller, hochmusikalischer Griffbrettwürger zu erweisen. Ein Link zu "Rot", wo die raue, frei improvisierende Seite Ritters ein überraschungsreiches Forum erhält. Die spontanen Trios mit Text-Improvisator Christian Reiner und Schlagzeuger Herbert Pirker sind - unter dem Bandsignet Weisse Waende - auch auf dem dritten neuen Silberling nachzuhören.
48 Jahre ist Ritter und fühlt sich jung genug, noch einmal durchzustarten. "Österreich ist für die Musik, die ich mache, ein guter Ort. Dennoch sage ich mir heute: Weiter wachsen, weiter forschen kann ich wohl nur mehr im Ausland. Meine Kinder sind aus dem Haus. Vielleicht mache ich diesen Schritt noch."

Andreas Felber (September 2007)