Press (only german articles) • "Diese Musik habe ich schon lange im Kopf gehabt!" Karl Ritter

Eigentlich müsste Karl Ritter dank seiner Künste auf der/den Gitarre/n längst ein Weltstar sein. Uneigentlich ist der ungewöhnlich familienbezogene Breitbandmusiker "nur" der Superstar der österreicherischen Gitarristenszene. Wie es dazu und zu einigen anderen bemerkenswerten Erkenntnissen gekommen ist erzählt Karl Ritter aus Anlass des Erscheinens seiner neuen CD "Atmen" in seinem kleinen aber feinen Studio in Stockerau.

Deine neue CD, "Atmen", ist sie ganz bewusst ruhig gehalten in dieser hektischen schnelllebigen Zeit?
Absolut! "Atmen" ist genau die CD die ich schon lange machen wollte. Eine CD bei der die Gefühle und Empfindungen im Vordergrund stehen, bei der ich bewusst auf den "groove" verzichtet habe. Es ist auch nichts Esoterisches, es ist ganz einfach schöne Musik. Ich wollte es musikalisch reduzieren, jeder einzelne Ton muss sich selbst tragen. Ich habe erkannt, dass es viel einfacher ist mit vielen Tönen schnell zu spielen als mit wenigen Tönen langsam. Bei der Präsentation deiner CD im Radiokulturhaus klang die Musik aber trotzdem härter, schneller und direkter als auf der CD! Ja, live muss man ganz einfach druckvoller spielen. Es macht einen Riesenunterschied ob ich hier im Studio spiele oder vor Publikum. Da kommt die Musik ganz einfach anders rüber und gerade das Radiokulturhaus mit seiner wunderbaren Akustik bietet sich dafür eben an. Ich habe das Programm aber auch in einem kleinen Club vor rund 80 Zuhörern gespielt und es war wunderschön. Ich habe geweint auf der Bühne weil es so schön war. Das sind die Momente in denen es sich lohnt das Leben eines Musikers zu leben. So etwas passiert selten, aber wenn es passiert weißt du warum du Musiker geworden bist.

Wolltest du schon immer Musiker werden?
Ich habe schon als Jugendlicher gewusst, dass ich einmal Musiker werden würde. Schon mit 15, 16 Jahren habe ich auch begonnen Musikerbiographien und musiktheoretische Bücher zu lesen. Ich wollte immer wissen was genau dahintersteckt. Die Gedankenwelten und Kompositionstechniken von Edgar Varese waren für mich immer genauso wichtig wie die von Frank Zappa. Ich habe damals auch fast nie Gitarrenplatten gehört, mir ging es um die Systeme. Krenek, Varese, Zappa, da haben mich die Sprachen, die Systeme interessiert! Ich habe einen riesengroßen Horizont und kann mich da überall einbringen. Und dieser Hintergrund ist heute in meiner Musik drinnen. Heute fühle ich mich in allen Stilen zuhause und kann mit allem etwas anfangen - was für mich als Breitbandmusiker extrem wichtig ist.

Breitbandmusiker? Du meinst deine diversen, extrem unterschiedlichen Projekte mit denen du dich beschäftigtst?
Genau die meine ich. Egal ob ich solo unterwegs bin oder mit Otto Lechner arbeite, ob ich mit afrikanischen Musikern zusammenarbeite oder mit Franz Hautzinger in seinem Regenorchester - ich bin für sehr viel offen. In Österreich gibt es ja keine Musiktradition wie zum Beispiel in Brasilien. Da nimmt niemand die Gitarre ganz einfach zur Hand und spielt. Die Tradition die es bei uns gibt wird ja ganz anders gelebt, es ist so extrem viel Vergangenheit. Österreich war einmal das Zentrum der musikalischen Welt und davon zehren wir heute noch.

Ist das "Breitbandmusizieren" eine Notwendigkeit um als Musiker zu überleben oder geschieht es aus einem inneren Drang heraus?
Weder noch! Ich mache es gerne und ich könnte mir ein Musikerleben ohne dieser breiten Streuung meiner Aktivität gar nicht vorstellen, und ich bin zufrieden mit meinem Leben. In Amerika habe ich Musiker kennen gelernt, die technisch ebenfalls erstklassig waren, aber eben nur in eine bestimmte Richtung. Wie es über ihren Stil hinausgeht stehen sie an, da können sie dann nicht mehr weiter - und sie kämpfen tatsächlich täglich ums Überleben. So gesehen kann man in Österreich als Musiker gut leben. Ich wollte immer eine Familie und ich kann es mir heute leisten als Musiker mit meiner Familie gut zu leben.

Alfred Krondraf (September 2004)