Press (only german articles) • Ziemlich verrückt

Daß der Österreicher Karl Ritter seine Werke auf einem kleinen Münchner Label veröffentlicht, könnte in der Angst begründet sein, im Land des Austria-3-Gesülzes für verrückt erklärt zu werden. Es könnte aber auch daran liegen, daß Ritter, einst Gitarrenlegende bei Kurt Ostbahns Chefpartie, der im eigenen Saft schmorenden deutschen Avantgarde-Liga ein bißchen Paprika beimischen wollte. Vielleicht aber war man sich einfach nur sympatisch.
Wobei der Gedanke, Karl Ritter für verrückt zu erklären, nun doch nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Wer sich und seine Phantasien so gnadenlos auslebt, wer sein Innerstes über den Weg der Musik fast schon exhibitionistisch nach außen stülpt, wer so schnurstracks am Mainstream vorbeimusiziert, der muß schon einen verdammten Knall in der Birne haben. Aber es soll ja irgendwo ein Publikum geben, das auch bei Musik zuhört, die jenseits der eingetretenen Pfade nach Wegen in die Zukunft sucht. Und dort fühlt sich Ritter wohl, man könnte sagen: sauwohl. Es ist eine Mischung aus dem simplen Blues und den wilden, ungezügelten Ausbrüchen in eine nur vordergründig atonale Welt, die Ritter offeriert. Mal skizziert er zart die Tiefe des Meeres (und erinnert dabei an den frühen Sigi Schwab), mal flippt er als legitimer Ziehsohn Zappas aus den Konventionen, um sich dann gleich wieder mit perfekter Technik und dem heimeligen Sound der durchgestimmten Gitarre über das Fingerpicking-Gehüpfe eines James Taylor lustig zu machen.
Karl Ritter präsentierte heute um 20 Uhr im Cafe der Muffathalle diese Platte. Das kann man auch als Warnung verstehen.

fok (Juli 1999)